Handlungsaspekte
Welche übergeordneten Handlungsaspekte beschäftigen Sie in Ihrem Projekt?
Um Schulentwicklung vorantreiben zu können, ohne sich zu überfordern, interessieren neben Grundlagenwissen auch Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen. Das Schulentwicklungsrad unterscheidet zwischen vier zentralen Handlungsaspekten: Austausch, Informationsgewinnung, Meinungsbildung, Entscheidungsfindung.
Dialog ermöglichen
Ein Dialog ist (im Gegensatz zu einer Diskussion) dadurch kennzeichnet, dass die Gesprächsteilnehmer:innen in der Lage sind, einander uneingeschränkt und vorurteilsfrei zuzuhören, ohne zu versuchen, sich gegenseitig zu beeinflussen. Es geht nicht um ein ‹besser oder schlechter› (vgl. Bohm 2011, 27ff & 54). Im besten Fall ermöglicht der Dialog die Entwicklung von etwas Neuem.
Arbeiten in professionellen Lerngemeinschaften
Das gängige Verständnis einer Professionellen Lerngemeinschaft (PLG) bezieht sich auf die Zusammenarbeit von Lehrpersonen. Das hier vorgelegte Schulentwicklungsverständnis geht davon aus, dass heutige Schulen aufgrund einer Vielzahl von Aufgaben mehrere Kerngeschäfte haben, die weit über den Unterricht hinaus gehen, also multifunktionale Organisationen sind. Nach Warwas u. Schadt (2020, 45) können PLG wie folgt gekennzeichnet werden:
- Gemeinsame kooperative Entwicklung mit dem Ziel, die eigene Unterrichts- und Angebotsqualität mithilfe von Evidenzen, Reflexion, Austausch und/oder Hospitationen zu verbessern.
- Konsens über die Ziele der gemeinsamen Arbeit.
- Tragfähige Infrastruktur: zum Beispiel Zusammenarbeitsregeln, klare Entscheidungsfindungen, verbindliche Strukturen (Zeiten und Inhalte der Sitzungen, etc.) oder die ausreichende Ausstattung mit zeitlichen Ressourcen.
Datenbasierte Informationsgewinnung
Sowohl wissenschaftliche Ergebnisse als auch selbst durchgeführte Evaluationen von Projekten, Befragungen oder Dokumentationen und Konzepten sind geeignet, um ein Vorhaben datenbasiert und nicht ausschliesslich aufgrund subjektiver Erfahrungen und Handlungskonzepte zu bewerten. Wiesner u. Schreiner (2019, 91) unterscheiden in Anlehnung an Lai u.
Schildkamp (2013) zwischen informellen, formellen und wissenschaftlichen Daten:
Informelle Daten werden spontan gesammelt und notiert (z. B. Beobachtungen).
Formelle Daten werden systematisch quantitativ oder qualitativ erhoben (z. B. Leistungsmessungen, systematische Unterrichtsbeobachtungen), entsprechen jedoch nicht unbedingt wissenschaftlichen Gütekriterien.
Wissenschaftliche Daten beziehen sich auf Fachliteratur oder Forschungsprojekte, die wissenschaftliche Gütekriterien erfüllen (z. B. Arbeiten von Hattie 2013).
Inquiry: Eine fragende Haltung entwickeln
Beim Inquiry basiertem Arbeiten geht es darum, einer eigenen grundlegenden Frage nachzugehen, diese mit vielfältigen Methoden zu beantworten, um daraus ein neues Verständnis, neues Wissen und Können aufzubauen. Eine solche Frage kann von einer einzelnen Person oder einem Team gestellt werden.
Neue Erfahrungen ermöglichen
Reusser und Pauli (2014, 645 ff.) schreiben, dass «neue Erfahrungen oder Informationen weiterhin vor dem Hintergrund der ‹alten›, langjährig bewährten Überzeugungen assimiliert («gefiltert», wahrgenommen, interpretiert) [werden], was als eine der Ursachen für die unzureichende Umsetzung von Reformen auf allen Ebenen des Bildungssystems gesehen wird». Um solche ‹alten› Haltungen in Bewegung zu bringen, können gezielte Interventionen helfen. Zum Beispiel, indem neue Erfahrungen ermöglicht werden. Das kann den eigenen Alltag betreffen (z. B. neue Praktiken ausprobieren und reflektieren), möglich ist auch die Beobachtung und Reflexion anderer (z. B. bei Schul- und Unterrichtsbesuchen: etwas «mit den eigenen Augen sehen»).
Implizites Wissen und Erfahrungen explizit machen
«Es gibt zwei Arten von Wissen: explizites Wissen und implizites Wissen. Explizites Wissen kann in Worten und Zahlen ausgedrückt und in Form von Daten, wissenschaftlichen Formeln, Spezifikationen, Handbüchern und dergleichen weitergegeben werden. Diese Art von Wissen kann leicht formell und systemisch zwischen Individuen übertragen werden. […] Implizites Wissen ist sehr persönlich und schwer zu formalisieren, was es schwierig macht, es zu kommunizieren oder mit anderen zu teilen. Subjektive Einsichten, Intuitionen und Ahnungen fallen in diese Kategorie von Wissen. Implizites Wissen ist tief verwurzelt in den Handlungen und Erfahrungen einer Person sowie in den Idealen, Werten oder Emotionen, die sie vertritt» (Nonaka u. Konno 1998, 42)45
Analog zu den Ausführungen zum Dialog geht es auch im Modell der Wissensspirale von Nonaka und Konno (1998) darum, dass sich die an einem Projekt beteiligten Personen zunächst ihrer eigenen individuellen Vorstellungen und Erfahrungen bewusst werden und sich über diese dann mit anderen austauschen.
Beobachten
Scharmer (2020, 90) beschreibt die Bedeutung von Beobachtungen bei der Führung von Veränderungsprozessen in Rückbezug auf eine Interviewstudie, indem er ein Originalzitat zu Hilfe nimmt: «Plötzlich bin ich mit einer komplizierten dynamischen Situation konfrontiert, und meine Aufgabe ist, sie zu verstehen. Was würde ich tun? Ich würde beobachten und beobachten und wieder beobachten, dann würde ich mich zurückziehen».
Ergibt die Beobachtung, dass die verschiedenen Beteiligten dem Projekt im Grundsatz positiv gegenüberstehen, können die nächsten Schritte im Veränderungsprozess angegangen werden. Ist die Bewertung skeptisch oder sogar negativ, lohnt sich eine genauere Analyse der Gründe und des weiteren Vorgehens.
Scharmer (2020, 389) macht deutlich, dass die Beobachtung besonders dann hilfreich ist, wenn sich die/der Beobachtende nicht von ihren/seinen eigenen Meinungen und Urteilen dessen, was wünschenswert ist, leiten lässt. Bei der Beobachtung sollte es darum gehen, zu erfahren, was die Betroffenen wirklich denken und dies ohne Bewertung zur Kenntnis zu nehmen.
Konsens, Kompromiss, Mehrheitsentscheidung, Konflikt
Entscheidungen sollten nach Möglichkeit so getroffen werden, dass sie von der Mehrheit der beteiligten Akteur:innen mitgetragen werden. Bei der Entscheidungsfindung wird zwischen Formen mit hoher Einigkeit auf der einen Seite und konflikthaftem Ausgang auf der anderen Seite unterschieden. Dazwischen stehen der Kompromiss und die Mehrheitsentscheidung.