Beurteilung
Was ist Beurteilung?
Mit dem Lehrplan 21 hat sich die Kompetenzorientierung im Lernen und Lehren durchgesetzt. Für die Beurteilungspraxis bedeutet dies, dass die Lehrpersonen Beurteilungsanlässe schaffen müssen, bei denen die Schüler:innen tatsächlich zeigen können, wie kompetent sie sind. Dazu braucht es ein durchdachtes Beurteilungsmosaik. Der individuelle Lernfortschritt muss sichtbar gemacht werden, die Lehrpersonen beurteilen mit transparenten Kriterien und geben lernwirksame Rückmeldungen.
Damit die Lehrpersonen nicht nur ihren Unterricht, sondern auch die Beurteilungspraxis konsequent kompetenzorientiert gestalten, hilft die gegenseitige Bestärkung im Team.
Zentrale Fragen können sein: Was ist unsere gemeinsame Vorstellung von Lernen, gutem Unterricht und guter Beurteilungspraxis? Wie können wir das eigenständige Lernen der Schüler:innen fördern und weiterentwickeln? Wie können wir Kompetenzen sichtbar machen? Wie gehen wir mit dem Spannungsfeld Lernförderung und Notensetzung um?
Faktoren
Schulentwicklungsrad
Lernen der Schüler:innen
Ein wesentliches Merkmal guten Unterrichts sind förderorientierte Rückmeldungen. Sie setzen eine hohe Diagnosefähigkeit der Lehrpersonen voraus. Innert kurzer Zeit müssen sie Lernsituationen scannen und entscheiden, welche Hinweise den Lernenden am besten weiterhelfen und wie der Unterricht lernförderlich angepasst werden kann.
Führen Sie mit den Kolleg:innen einen Dialog darüber, woran man sehen kann, wie die Schüler:innen lernen und welche Konsequenzen sich daraus ableiten.
Mehrebenensystem Schule
Hier gilt es zu beachten, dass Beurteilung auch ein politisches Thema ist. So sind die Lehrpersonen verpflichtet, im Zeugnis noch immer Noten zu setzen, auch wenn diese für den Schulalltag und das Lernen nicht mehr notwendig wären. Der Umgang mit solchen «Brüchen» innerhalb des Systems muss offen in den Teams, aber auch mit den Lernenden oder den Eltern thematisiert werden.
Prozessgestaltung
Von den neun Schritten der Prozessgestaltung sind folgende besonders zentral:
Zielklärung: Mit einer kompetenzorientierten Beurteilungspraxis erhält die Lernbegleitung und die Anpassung der Lernangebote mehr Gewicht.
Rahmenbedingungen: Der Gestaltungsspielraum ist grösser als oftmals angenommen wird. Lehrpersonen sind beispielsweise frei, ob sie während des Schuljahrs Noten setzen wollen.
Prototyp: Beim Thema Beurteilung lohnt es sich, viel Zeit einzuplanen für Transferleistungen in den eigenen Unterricht. Damit können Lehrpersonen direkt Erfahrungen mit neuen Praktiken sammeln und Sicherheit gewinnen.
Haltungen und Emotionen
Beurteilen ist ein emotionales Thema bei gleichzeitig vermeintlicher Objektivität. Die Selektionsaufgabe der Schule muss mit Sorgfalt erfüllt werden. Beim Thema Beurteilung sind viele Überzeugungen und Praktiken im Umlauf, die sich über Jahrzehnte etabliert haben, aber nicht den Anforderungen des Lehrplans entsprechen. Es muss deshalb besonders darauf geachtet werden, Lehrpersonen wegen ihrer bisherigen Praxis nicht zu verurteilen. Gleichzeitig müssen sie ihre Praxis kompetenzorientiert und lernunterstützend umgestalten. Auch die Erwartungen der Eltern und abnehmender Organisationen können Druck auslösen. Es braucht eine souveräne Professionalität, diesen Erwartungen mit fachlichen Einblicken begegnen zu können.
Kooperation und Kommunikation
Schüler:innen haben im Lauf ihrer Schulzeit oder auch gleichzeitig verschiedene Lehrpersonen. Eine Zusammenarbeit im Thema Beurteilen ist deshalb notwendiger Standard, insbesondere bei den überfachlichen Kompetenzen und im Zusammenhang mit Schulischen Standortgesprächen. Damit nicht über die Schüler:innen verhandelt wird, sondern tatsächlich deren Kompetenzentwicklung im Fokus steht, soll gut auf eine positive Sprache geachtet werden. Dies gilt bei der Kommunikation im Team, mit den Schüler:innen und den Eltern.
Rahmenbedingungen
Die gute Kenntnis von kantonalen Rahmenbedingungen und Vorgaben lohnt sich: Der Gestaltungsfreiraum ist grösser, als man denkt! Ein Team kann zum Beispiel durch die Umstellung auf Selbstorganisiertes Lernen der Förderung überfachlicher Kompetenzen viel mehr Raum verschaffen.
Broschüren Volksschulamt des Kantons Zürich
Individuelle und organisationale Kompetenzen
Eine kompetenzorientierte Beurteilungspraxis erfordert ein breites Repertoire der Lehrpersonen (Beurteilungsmosaik). Grundlagen, Anregungen und Beispiele helfen beim Entwickeln dieses Repertoires. Dabei können innerhalb des Schulteams Kenntnisse und Praktiken weitergegeben und auch von aussen Fachwissen beigezogen werden.
Führung
Der grosse Gestaltungsspielraum und die Brisanz des Themas erfordern, dass aus Führungsperspektive darauf geachtet wird, welche pädagogische Ausrichtung zur eigenen Schule passt. Schulleitungen können eine kollaborative Schulhauskultur fördern, indem sie Zeit für die Entwicklung einer gemeinsam orientierten Beurteilungspraxis ermöglichen und – auch mit eigenem Vorbild – eine Fehlerkultur etablieren.
Eltern sollten transparent informiert werden, damit sie der professionellen Beurteilung jenseits von Notendurchschnitten Vertrauen entgegenbringen können.
Dynamiken
Weil im Thema Beurteilung Idee (lernunterstützend, kompetenzorientiert, Ermessensentscheid, Einschätzung) und Praxis (Notendurchschnitte, Beurteilung zur Disziplinierung, «grammar of schooling») oft divergieren, können sich für Teams grosse Spannungsfelder auftun. Diese sollen besprochen werden, damit sie nicht dazu führen, bei einer vermeintlich sicheren, aber nicht kompetenzorientierten Beurteilungspraxis zu bleiben.
Gesellschaft
Veraltete und falsche Bilder der schulischen Beurteilung halten sich in der Öffentlichkeit und in den abnehmenden Organisationen hartnäckig. Schulen müssen z.B. durch Informationsabende, durch einen Tag der offenen Tür oder durch Präsentationen von Schüler:innen einen Aufwand betreiben, damit diese fixen Bilder sich verändern können. Das ist anstrengend und teilweise auch frustrierend. Dennoch ist die Kompetenzorientierung auch politischer Wille, worauf immer wieder verwiesen werden kann und muss.
Zentrale Handlungsaspekte: wie kann ich vorgehen?
Arbeiten in professionellen Lerngemeinschaften:
Diese Kooperationsform ist sehr ergiebig für die Weiterentwicklung des Unterrichts und die Professionalisierung der Lehrpersonen. Deshalb ist diese Form bei der Etablierung von kompetenzorientierter Beurteilung zentral. Innerhalb einer vertrauten Arbeitsgemeinschaft können Lehrpersonen ihre Praxis öffentlich machen, von Erfolgen und Misserfolgen berichten, gemeinsam Beurteilungsanlässe vorbereiten und evaluieren und voneinander lernen.
Neue Erfahrungen ermöglichen:
Mit dem gezielten Aufzeigen und Ausprobieren alternativer Methoden können Lehrpersonen ihr Beurteilungs-Repertoire schrittweise ausbauen. Dafür braucht es Zeit, passende Weiterbildungen und eine gewisse «Rückendeckung» gegenüber der Elternschaft.
Konsens, Kompromiss, Mehrheitsentscheidung, Konflikt:
Die kompetenzorientierte Beurteilungspraxis ist Teil der Unterrichtspraxis jeder Lehrperson. Die Lehrpersonen sollen Autonomie in ihrer Praxisgestaltung behalten, aber sich an gemeinsamen Zielvorstellungen orientieren und den Dialog aufrechthalten. Deshalb braucht es einen Konsens über eine gemeinsame Ausrichtung der schulischen Beurteilungspraxis, der individuelle Lösungen zulässt. Wichtig ist, dass die Beurteilung kompetenzorientiert ist. Eine Vereinheitlichung von Prüfungen oder ähnliches ist nicht zweckdienlich.
Beispiel einer gemeinsamen Zielvorstellung kompetenzorientierter Beurteilung eines Schulteams:

Praxisbeispiele
Die Praxisbeispiele werden fortlaufend ergänzt.